Vom Ende der Demokratie zu sprechen halte ich schlichtweg für übertrieben.
Ich habe mir die Diskussion mit anaximander genau durchgelesen und bin auf einige Dinge gestoßen, die mich etwas stutzig gemacht haben.
Zunächst einmal möchte ich wieder die These vom „Ende der Demokratien“ aufgreifen, die auch in der politikwissenschaftlichen Diskussion ihre Vertreter hat. Hier ist auch mancherorts vom „Ende der Staatlichkeit“ die Rede. Ein Ende der Demokratien, wie wir sie kennen und erleben, ist durchaus möglich im Zusammenhang mit Terror und Extremismus. Aber eher aus einem ganz anderen Grund als von anaximander beschrieben. Nehmen wir das Beispiel 11. September. Weltpolitisch, und das ist vielen nicht klar, hat sich durch den 11.9 rein gar nichts verändert. Die amerikanische Außenpolitik hat nicht die Kehrtwende gemacht wie gerne unterstellt.Der 11.9 war für unsere westlich liberalen Demokratien, hierbei insbesondere für die Vereinigten Staaten, eine Möglichkeit im Zuge der allgemeinen Verunsicherung Gesetze und Verordnungen zu erlassen, die die Grundfesten einer Demokratie mehr bedrohen als dies ein Extremist, welcher Gesinnung auch immer, je könnte (Hier wäre insbesondere der Patriot Act zu nennen, aber auch Gesetze in anderen Ländern unter anderem Deutschland.) Das Aushölen „bürgerlicher“ Freiheitsrechte zeigt andererseits aber auch die Stärke eines Staates gegenüber seinen Bürgern. Nehmen wir beispielsweise die Amerikaner. Sollte die These anaximanders vom „wehrhaften“ Menschen der nun sich selbst und sein Heim von dem Bösen in der Welt schützen (muss) will – ganz im Sinne des Hobbe'schen Naturzustandes, wenn die Aussage homo homini lupus auch verworfen wird – zutreffen, dann verstehe ich nicht, warum die Menschen in den USA – DEM freiheitsliebenden Land in dieser Welt – nicht gegen diesen Patriot Act auf die Barrikaden gegangen sind. Denn was kann für einen Südstaatenbewohner bedrohlicher sein als ein Staat dessen Arme viel weiter in sein privates Leben reichen, als jedem lieb sein würde?
Aber bleiben wir bei den Gesellschaftstheorien. Nehmen wir beispielsweise Rousseau – von mir sehr geschätzt, was man hoffentlich an meinem Blog bemerkt. Das Menschenbild des Rousseau, seine Geschichtsphilosophie wie die Verachtung des menschlichen Fortschritts sind faszinierend, aber dennoch nicht durchsetzbar, weil „der Mensch“ eben so nicht ist. Kann man allen ernstes davon ausgehen, das wir „Westler“ (insbesondere die Deutschen“) uns wehrhaft gegen etwas stellen? Wohl kaum. Das hätten wir schon oft machen können/müssen und haben es doch nicht getan. Aus Bequemlichkeit oder warum auch immer. Fakt ist, das wir es wahrscheinlich auch niemals tun werden.
Kommen wir wieder zur (gefühlten) Bedrohung durch Extremisten zurück. Ja, die Gefahr eines Anschlages besteht auch in Deutschland. Die Bedrohung scheint also echt zu sein. Aber meines Erachtens betrachten wir diese Bedrohung mit viel größerer Sorge als andere, die uns weit gefährlicher werden können. Warum? Ich glaube das liegt am Fremden. Am Unbekannten. Den Extremismus gibt es auch bei uns. Fragen wir doch mal die Menschen in Nordirland wovor sie mehr Angst haben, vor islamischen Extremisten oder vor den christlichen Extremisten die Steine gegen Schulkinder werfen.
In diesem Zusammenhang gebe ich auch den Medien eine Mitschuld an dieser aufgepuschten Wahrnehmung. Um diese Mitschuld zu erleben müssen wir nicht auf die privaten Sender zappen. Das spielen mit der Angst der Menschen ist wahrscheinlich so alt wie die Angst der Menschen an sich. Die Frage ist nur, welche Konsequenzen ziehe ich aus dieser Angst. Versuche ich aufzuklären oder versuche ich daraus Kapital zu schlagen – zum Beispiel ein Staat der die Freiheitsrechte in solchen Situationen aushölt.
Aber ich glaube, ich habe mittlerweile schon viel zu viel geschrieben. Darüber koennte ich durchaus meine Magisterarbeit schreiben. Aber dann doch nicht hier als Kommentar.
... stimmt. Wundert mich, dass anaximander selbst diesen Widerspruch zwischen Terrorbekämpfung im Inland und informationeller Selbstbestimmung, Datenschutz und Persönlichkeitsrechten nicht anspricht. Er hat etliche Postings zu diesem Thema "Schutz vor dem Staat". Und ich gehe nicht davon aus, dass es jemand für möglich hält, Datenschutzberechtige Personen erster Klasse (Christen und sonstiges) und zweiter Klasse (Moslems) in unserer Gesellschaft einzuführen. Wenn die zweite Gruppe besser überwacht werden soll, muss auch die erste verzichten ... mit allen daraus folgenden Risiken und Wirkungen !?
zu Rousseau: dass dessen Menschenbild etwas zu rosig ist, zugegeben. Die Geschichte mit der Wehrhaftigkeit würde ich so nicht untersschreiben. Solange alle (subjektiv) erträglich leben können, sicher. Aber wenn die Rahmenbedingungen sich drastisch verschlechtert, lege ich nur noch für sehr wenige Menschen die Hand ins Feuer. (Ich weiss nicht, ob wir "afrikanische Zustände" - s. hier ein entsprechendes Posting, für sämtliche Länder der westlichen Welt für immer und ewig ausschließen können?)
aber: "Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen" (Winston Churchill) ... das ist immerhin etwas, oder :-) und ich glaube nicht, dass sie in Krisen nicht auch wehrhaft sein kann ...
... inzwischen 40something, und mache "was mit Medien". Und kommt mir jetzt nicht mit "Die kleine Agentur am Rande der Stadt" ... - DER Blog ist woanders ;-)
Und hier? - Auf jeden Fall viel Diskutieren und Spass haben, ohne SchereImKopf und OutputMaximierungs-Formel. Das dann oft katzentypisch nachtaktiv, wegen meiner Kids.
Eure Webcat72
Der Mensch, seine Freiheit und der Staat
Ich habe mir die Diskussion mit anaximander genau durchgelesen und bin auf einige Dinge gestoßen, die mich etwas stutzig gemacht haben.
Zunächst einmal möchte ich wieder die These vom „Ende der Demokratien“ aufgreifen, die auch in der politikwissenschaftlichen Diskussion ihre Vertreter hat. Hier ist auch mancherorts vom „Ende der Staatlichkeit“ die Rede. Ein Ende der Demokratien, wie wir sie kennen und erleben, ist durchaus möglich im Zusammenhang mit Terror und Extremismus. Aber eher aus einem ganz anderen Grund als von anaximander beschrieben. Nehmen wir das Beispiel 11. September. Weltpolitisch, und das ist vielen nicht klar, hat sich durch den 11.9 rein gar nichts verändert. Die amerikanische Außenpolitik hat nicht die Kehrtwende gemacht wie gerne unterstellt.Der 11.9 war für unsere westlich liberalen Demokratien, hierbei insbesondere für die Vereinigten Staaten, eine Möglichkeit im Zuge der allgemeinen Verunsicherung Gesetze und Verordnungen zu erlassen, die die Grundfesten einer Demokratie mehr bedrohen als dies ein Extremist, welcher Gesinnung auch immer, je könnte (Hier wäre insbesondere der Patriot Act zu nennen, aber auch Gesetze in anderen Ländern unter anderem Deutschland.) Das Aushölen „bürgerlicher“ Freiheitsrechte zeigt andererseits aber auch die Stärke eines Staates gegenüber seinen Bürgern. Nehmen wir beispielsweise die Amerikaner. Sollte die These anaximanders vom „wehrhaften“ Menschen der nun sich selbst und sein Heim von dem Bösen in der Welt schützen (muss) will – ganz im Sinne des Hobbe'schen Naturzustandes, wenn die Aussage homo homini lupus auch verworfen wird – zutreffen, dann verstehe ich nicht, warum die Menschen in den USA – DEM freiheitsliebenden Land in dieser Welt – nicht gegen diesen Patriot Act auf die Barrikaden gegangen sind. Denn was kann für einen Südstaatenbewohner bedrohlicher sein als ein Staat dessen Arme viel weiter in sein privates Leben reichen, als jedem lieb sein würde?
Aber bleiben wir bei den Gesellschaftstheorien. Nehmen wir beispielsweise Rousseau – von mir sehr geschätzt, was man hoffentlich an meinem Blog bemerkt. Das Menschenbild des Rousseau, seine Geschichtsphilosophie wie die Verachtung des menschlichen Fortschritts sind faszinierend, aber dennoch nicht durchsetzbar, weil „der Mensch“ eben so nicht ist. Kann man allen ernstes davon ausgehen, das wir „Westler“ (insbesondere die Deutschen“) uns wehrhaft gegen etwas stellen? Wohl kaum. Das hätten wir schon oft machen können/müssen und haben es doch nicht getan. Aus Bequemlichkeit oder warum auch immer. Fakt ist, das wir es wahrscheinlich auch niemals tun werden.
Kommen wir wieder zur (gefühlten) Bedrohung durch Extremisten zurück. Ja, die Gefahr eines Anschlages besteht auch in Deutschland. Die Bedrohung scheint also echt zu sein. Aber meines Erachtens betrachten wir diese Bedrohung mit viel größerer Sorge als andere, die uns weit gefährlicher werden können. Warum? Ich glaube das liegt am Fremden. Am Unbekannten. Den Extremismus gibt es auch bei uns. Fragen wir doch mal die Menschen in Nordirland wovor sie mehr Angst haben, vor islamischen Extremisten oder vor den christlichen Extremisten die Steine gegen Schulkinder werfen.
In diesem Zusammenhang gebe ich auch den Medien eine Mitschuld an dieser aufgepuschten Wahrnehmung. Um diese Mitschuld zu erleben müssen wir nicht auf die privaten Sender zappen. Das spielen mit der Angst der Menschen ist wahrscheinlich so alt wie die Angst der Menschen an sich. Die Frage ist nur, welche Konsequenzen ziehe ich aus dieser Angst. Versuche ich aufzuklären oder versuche ich daraus Kapital zu schlagen – zum Beispiel ein Staat der die Freiheitsrechte in solchen Situationen aushölt.
Aber ich glaube, ich habe mittlerweile schon viel zu viel geschrieben. Darüber koennte ich durchaus meine Magisterarbeit schreiben. Aber dann doch nicht hier als Kommentar.
zu Rousseau: dass dessen Menschenbild etwas zu rosig ist, zugegeben. Die Geschichte mit der Wehrhaftigkeit würde ich so nicht untersschreiben. Solange alle (subjektiv) erträglich leben können, sicher. Aber wenn die Rahmenbedingungen sich drastisch verschlechtert, lege ich nur noch für sehr wenige Menschen die Hand ins Feuer. (Ich weiss nicht, ob wir "afrikanische Zustände" - s. hier ein entsprechendes Posting, für sämtliche Länder der westlichen Welt für immer und ewig ausschließen können?)
aber: "Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen" (Winston Churchill) ... das ist immerhin etwas, oder :-) und ich glaube nicht, dass sie in Krisen nicht auch wehrhaft sein kann ...